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Gartengestaltung

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Artenvielfalt beginnt an der Grundstücksgrenze

Willkommenskultur für Igel

Pollen- und nektarreiche Pflanzungen und Ansaaten stehen hoch im Kurs. „Obenrum“ wird inzwischen viel getan für Leben im Garten – doch wie steht es um die Gartenbesucher, die auf Knöchelhöhe unterwegs sind? Theresa Edelmann von der LWG Veitshöchheim hat Tipps, die Igeln und anderen Kleintieren das Leben leichter machen.

Begegnung mit dem Stacheltier

Vor etwa zehn Jahren kreuzte eines Abends vor mir ein Igel die Straße. Wenige Meter vor mir auf dem Gehweg begann dann für den Igel eine sehr lange Gerade: Es dauerte ca. zehn Grundstückslängen von je zwölf Metern, bis es ihm gelang abzubiegen und sich vor dem Autoverkehr in Sicherheit zu bringen. Puuh, dachte ich damals, gerade noch mal gut gegangen. Igel, aber auch Frösche und Kröten profitieren von durchlässigen tierfreundlichen Einfriedungen.

12 Straßenzüge – 1 Revier

Das Revier eines Igelmännchens umfasst bis zu einem Quadratkilometer Fläche. Ohne bodengebundene Verbindungen zwischen den Grundstücken sinkt die Chance auf sein Überleben in der Siedlung. Wird bei der Ersteinfriedung das Budget eines Grundstücks auf ein Minimum zusammengekürzt, kommen für die ersten Jahre Zaunbauweisen wie Wild-Drahtzäune aus Knotengeflecht oder Maschendraht in Frage. Meist erfolgt kein Rückbau und, verdeckt von der zwischenzeitlich herangewachsenen Grenzbepflanzung, bleiben diese Grundstücke für Igel & Co unzugänglich.

Zaunvorlieben gestern und heute

Winter ist die Zeit der Klarheit: überall leuchten uns Einfriedungen entgegen, die nette Kaschierung durch Grün fehlt. Wir können messen und abschreiten und feststellen: viele Wohngebiete sind eine Aneinanderreihung von kleinen Verteidigungsanlagen. Die aktuell am häufigsten gewählte Zaunbauweise ist die zwischen Metallpfosten eingehangene Stabmatte. Auch bei sockelfreier Errichtung wird hiermit der innenliegende Gartenraum für Jahrzehnte abgeschottet, denn als Material kommt mindestens feuerverzinkter Stahl zum Einsatz.

Odyssee der Nachtjäger

In unseren Gärten und Freiflächen ist der Braunbrust-Igel unterwegs, eine von 16 Stacheligelarten, die in Europa und Eurasien leben. Dank seiner exzellenten räumlichen Erinnerung steuert der Igel Durchschlüpfe und Stellen mit reichem Nahrungsangebot gezielt an, oftmals Gärten. Denn längst ist der Verbreitungsschwerpunkt des Igels nicht mehr die sogenannte freie Landschaft, sondern der Siedlungsraum. So steht der Igel z.B. in Bayern auf der Vorwarnliste, d.h. die Zahl der Tiere ist rückläufig. Erfolgt keine Trendwende, wird auch diese frühere „Allerweltsart“ auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten kommen. Wie also können wir die Ansprüche des Igels an seinen Lebensraum in unsere bautechnische Ausführung integrieren?

Barrierefreiheit für alle

Zum Beispiel indem wir nur noch Fertigzäune mit standardmäßigen Aussparungen verbauen und auf durchgängige Einfriedungen zwischen Gärten und sonstigen verkehrsarmen Freiflächen verzichten. Statt „6/5/6“ oder „8/6/8“ – die beiden am meisten verkauften Doppelstabmattensysteme – bestellen wir in Zukunft vielleicht „6/5/6 alive“? Alternativ warten wir jedoch nicht auf die Hersteller: Wir nehmen das Thema Biotopverbundpotential selbst in die Hand und, Flex sei Dank, fertig ist der Igel-Durchschlupf! Ein Zaunloch mit ca. 12 Zentimetern lichter Höhe und Breite genügt für den Igel und ist in der Regel zu klein für ungebetene Gartengäste wie Füchse oder auch Hunde.

Rechtlicher Rahmen

In einigen Bundesländern, darunter Bayern, gilt das ausdrückliche Verbot „tiergruppenschädigender Anlagen oder Bauteile“. Darin eingeschlossen sind Sockelmauern bei Zäunen. Ziel dabei ist es, „die Durchlässigkeit der Siedlungsränder für die Fauna, insbesondere für die Klein- und Mittelsäuger, zu gewähren.“ Die Vorgabe „sockelfrei“ findet sich daher auch in vielen Bebauungsplänen unter dem Stichwort Einfriedung. Das Thema ist also nicht neu, allein die Geschwindigkeit und Endgültigkeit (Stahlmatten), mit der wir derzeit Freiflächen weiter parzellieren und einfrieden, sollte uns in allen Folgen bewusst sein.

Eins oben drauf setzen

Schauen wir beim Thema Barrierefreiheit für Igel & Co. genauer hin, wird schnell klar: der Zaun selbst kann Lebensraum sein, wenn vor allem Astholz – das Null-Transport-Zaunmaterial – nicht abgefahren, sondern vor Ort formschön verbaut wird. Igel beispielsweise brauchen mehrere Tagesverstecke in ihrem Revier. Benjes-Hecken mit Abstand zum Boden, öfter auch als Totholz-Hecken bezeichnet, dürfen als beste Form der biodiversitätsfördernden Einfriedung zwischen Gärten und Grünflächen gelten. Allerdings benötigen Nachbarn dafür Platz, Mut und ausreichendes Pflege-Know-How.

Was sonst noch Sinn macht

Bevor hochstehende Vegetation gemäht oder abgeräumt wird, sollten wir nachschauen, ob sich ein Igel darin aufhält. Mähroboter werden als ungefährlich für Igel verkauft – mehrere Igel-Stationen berichten Gegenteiliges. In Trockenstress-Gebieten wie Mainfranken ist der Igel zunehmend auf Wasserstellen angewiesen, die ihm von Gartenbesitzern und Flächenmanagern angeboten werden.

Braunbrust-Igel sind ortstreu, das heißt, sie kommen wieder, wenn auch in unregelmäßigen Abständen. Die rund zehn Winter ihres Lebens verbringen sie schlafend an wechselnden Orten ihres Reviers. Als Überwinterungsplätze kommen unter anderem auch Laubhaufen in Frage. Wildtiere bereichern das Gartenerlebnis. Zumindest dem Igel genügen einige wenige Durchschlupfe. Kleine, unscheinbare Änderungen können entscheidend sein: gehen wir es an!

Checkliste für „untenrum“

Garten-/Freiflächen-Neuanlage

  • wählen Sie Bauweisen, die kleinsäuger- oder „igelfreundlich“ sind, bei temporären Einfriedungen: Baustahlmatten, Knotengeflechte nur bei bestimmten Maschenweiten wie 80/8/15 oder 100/8/15
  • nutzen Sie die Vorteile von Hanggrundstücken: hier ergeben sich bei vorausschauender Höhenplanung automatisch ausreichend große Durchschlupfe
  • modellieren Sie Böschungen statt niedriger Stützmauern
  • verzichten Sie auf Mauersockel wo immer möglich, investieren Sie in die übrigen Gartenelemente
  • schaffen Sie lokale Durchlässe in Form von Bodenvertiefungen unter dem Zaun
  • versehen Sie Lichtschächte mit einem feinmaschigen Gitter und/oder einer Ausstiegshilfe

Garten-/Freiflächen-Umgestaltung

  • prüfen Sie die vorhandene(n) Einfriedungen: wie kann durch einfache Anpassungen die Durchgängigkeit für Igel, Frosch & Co. verbessert werden?
  • entschärfen Sie die Doppelstabmatten „6/5/6“ oder „8/6/8“ durch selbst ausgeführte Zaundurchlässe mit entsprechendem Korrosionsschutz
  • schaffen Sie lokale Durchlässe in Form von Bodenvertiefungen unter dem Zaun
  • erhalten Sie Böschungen wo immer möglich
  • halbieren Sie die Auftrittshöhe von Treppen im Randbereich der Stufen

Kommunikation

  • suchen Sie das gemeinsame Gespräch mit Nachbarn, vor Ort, an der Grundstücksgrenze

 

Theresa Edelmann

 

Faltblatt: Igel im Garten
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Geschickt gelöst: Maximaler Sichtschutz und Barrierefreiheit für Igel, Frosch & Co Foto: Theresa Edelmann
Totholzhecken mit punktuellen Hohlräumen bieten eine durchlässige Einfriedung und Unterschlupf. Foto: Theresa Edelmann LWG
15 bis 20 cm Höhenunterschied durch Sockelmauern und Treppen – gerade noch überwindbar für einen erwachsenen Igel. Foto: Simon Steinemann Igelzentrum CH
Zaunsäulen mit Spannseilen: nicht nur optisch ein Genuss. Foto: Theresa Edelmann