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Projekt Gemeinschaftsgarten – Eine Chance für Gartenbauvereine?

Seit einigen Jahren entstehen sowohl im urbanen Umfeld als auch im ländlichen Raum zahlreiche Initiativen, die auf gemeinschaftlich bewirtschafteten Flächen Gemüse anbauen. So auch in Rohrbach a. d. Ilm, wo die Bürger-Arbeitsgruppe »Ortsbild« mit der Idee eines Gemeinschaftsgartens auf den dortigen Obst- und Gartenbauverein (OGV) zukam. Dort fand die Initiative auch gleich ein offenes Ohr, und so entstand 2020 das »Gemeinschafts(G)artenreich« Rohrbach. Doch wie verbindet sich diese neue Struktur mit dem bestehenden Verein? »Wir haben nur positive Erfahrungen damit gemacht«, sagt Hans Tilp, der Vereinsvorsitzende, über das Projekt.

Das Projekt Gemeinschaftsgarten

Der Verein startete das Projekt 2020 damit, eine ungenutzte, rund 1.300 m2 große Brachfläche in einen Gemeinschaftsgarten zu verwandeln. Die Gemeinde hatte dem Verein die Fläche zu günstigen Bedingungen verpachtet. Über Aufrufe in der Lokalpresse, der Gemeindezeitung und den OGV-Kanälen waren schnell alle geplanten 16 Parzellen des Gartens vergeben. Was wahrscheinlich daran liegt, dass der Verein mit dem Konzept den Zeitgeist getroffen hat: Gemeinschaftlich und naturnah gärtnern, Parzellen in unterschiedlichen Größen von 5 bis 25 m2, eine insgesamt bunte und lockere Gestaltung, Upcycling, kreative Ideen, Gartenwissen und hin und wieder auch Pflanzen austauschen, und das Ganze zu moderaten Kosten von 1 €/m2.
Die Voraussetzung: Eine Mitgliedschaft im Obst- und Gartenbauverein Rohrbach a.d.Ilm e. V. Gemeinsam mit den neuen Pächterinnen und Pächtern hat der Verein die Fläche dann zu einem
fruchtbaren Gemeinschaftsgarten gemacht, der heute auch als Naturgarten zertifiziert ist.

Mitgliederzuwachs für den Verein

50 neue Mitglieder hat der Obst- und Gartenbauverein dadurch schon gewonnen. »Viele werden gleich zusammen mit den Partnern Mitglied«, berichtet Hans Tilp. Die neuen Mitglieder kommen
aus allen Altersstufen. Jüngere Leute zwischen 20 und 30, junge Familien mit ihren Kindern, genauso wie Menschen, die keine kleinen Kinder mehr haben oder schon im Rentenalter sind.
Die Motivation, sich im Gemeinschaftsgarten zu engagieren, ist ganz unterschiedlich: Manche haben keinen eigenen Garten, andere brauchen eine zusätzliche Gartenfläche, um Kartoffeln anzubauen. Einigen reicht es sogar, nur ein kleines Hochbeet im Gemeinschaftsgarten zu bewirtschaften. Und für diejenigen, die in Rohrbach eine neue Heimat gefunden haben, ist der Garten der ideale Ort, um neue Kontakte zu knüpfen. Denn man tauscht nicht nur Gartentipps aus, sondern trinkt öfter einen Kaffee zusammen oder begießt und genießt gemeinsam die Ernte.
Für Hans Tilp war es von Beginn an klar, dass der Gemeinschaftsgarten eine Chance für den Verein ist. »Denn das Thema Garten ist Trend, das spielt uns in die Hände«, davon ist er überzeugt.

Gut verzahnen

Wie verknüpft sich nun der Gemeinschaftsgarten mit dem Verein? »Wir haben uns schon gefragt, ob wir dann zwei Vereine haben«, sagt Hans Tilp, »um das zu vermeiden, versuchen wir, Angebote mit Vorträgen und Veranstaltungen im Gemeinschaftsgarten zu machen, die alle ansprechen. Vorträge und Workshops zum Gemüsegärtnern zum Beispiel. Da kommen dann auch
die anderen Vereinsmitglieder gerne.« Auch gibt es immer wieder spontane Führungen im Gemeinschaftsgarten, Pflanzen werden ausgetauscht, man wächst langsam zusammen, hat der Vorsitzende festgestellt. Und: Die neuen Mitglieder engagieren sich nach und nach im Verein, übernehmen auch Ämter. Doch man muss Themen finden, die möglichst breit gefächerte Interessen ansprechen, findet Hans Tilp. Sowohl für die Mitglieder, die kenntnisreich und lange im Verein dabei sind, als auch für die neu dazugekommenen. Streuobst zum Beispiel sei so ein Thema. Und es gibt auch niedrigschwellige Angebote, die das Kennenlernen und den Austausch fördern, wie die Pflanzentauschbörse im Frühjahr etwa oder gemeinsames Kochen. Er stelle sich immer die Frage, was die Motivation der Mitglieder ist, welchen Mehrwert der Verein bieten kann. Deshalb könne man ruhig auch den Geräteverleih überdenken. »Vielleicht brauchen wir in Zukunft weniger einen Vertikutierer, sondern eher andere Dinge«, überlegt der Vorsitzende.

»Wenn wir das nicht machen, dann machen das andere Gruppierungen, und dann sind diese aktiven Leute für unseren Verein verloren.«
Hans Tilp

Potenziale nutzen

Man muss nicht unbedingt lauter neue Dinge erfinden, davon sind die Rohrbacher überzeugt. Besser sei es, zu schauen, wie man die Leute mit ihren Fähigkeiten einbinden kann. »Nicht alle interessieren sich ja nur für das Gärtnern, manche können noch ganz andere Dinge, die wir gut im Verein brauchen können«, findet Hans Tilp. Im Rohrbacher Verein übernimmt jetzt zum Beispiel eine junge Frau die Gestaltung von Flyern und Plakaten.
Überhaupt nutzen sie dort gerne neue Medien zur internen Kommunikation und  für die Öffentlichkeitsarbeit – etwas, was vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewesen sei. Doch der Verein findet es wichtig, zeitgemäß und ansprechend in der Öffentlichkeit sichtbar zu sein. Über Whats-App-Gruppen halten sich die Vereinsmitglieder auf dem Laufenden, die Website ist immer aktuell und über Instagram postet der Verein Terminankündigungen, Bilder aus dem Gemeinschaftsgarten und von Veranstaltungen.

Gemeinschaftsgarten ist ein Gewinn

»Nur mit einem Gemeinschaftsgarten alleine ist ein Verein nicht zu retten«, davon ist Hans Tilp überzeugt. Aber er ist ein guter Anknüpfungspunkt für die verschiedenen Interessen, die sich im Verein verbinden lassen. Auch könne man viel für sich selbst lernen mit so einem Projekt. Deshalb Fotos: Faschingbauer; Tilp könne er einen Gemeinschaftsgarten nur empfehlen. In Rohrbach a.d.Ilm kommt noch hinzu: Der Verein hat nun ein »Gesicht nach außen«, denn der Garten liegt an einem stark frequentierten Radund Spazierweg. Für den Rohrbacher Verein, der kein eigenes Vereinsheim hat, sieht der Vorsitzende deshalb einen großen Vorteil, damit präsent in der Wahrnehmung als aktiver, naturnah bewirtschaftender Gartenbauverein zu sein. Alles in allem sei der Aufwand und die Investition für den Gemeinschaftsgarten gar nicht so groß gewesen. Gut, wenn man Netzwerke pflegt und Unterstützung von der Gemeinde, dem Bauhof oder dem Gartenbaubetrieb vor Ort bekommt, rät Hans Tilp. Zum Schluss meint er noch: »Es gibt doch fast nichts Schöneres auf der Welt als gemeinsam zu gärtnern, das schafft dann bleibende Erinnerungen.«

Bärbel Faschingbauer

Fotos: Hans Tilp