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Natur und Landschaft

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Gehölzvielfalt im Klimawandel

Gehölze haben es nicht leicht. Die Sommer sind merklich trockener geworden und in vielen Städten, Dörfern, Wäldern und Gärten leiden bislang bewährte Baum- und Straucharten unter dem Klimawandel. Neue Gehölze zu pflanzen will also gut überlegt und ausgewählt sein. Wir haben deshalb Klaus Körber, den Gehölzexperten an der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim danach gefragt, was er aus Sicht der Forschung und aus seiner langjährigen Erfahrung heraus empfiehlt.

Vielfaltsmacher (VM): Herr Körber, wie wirkt sich der Klimawandel auf das Gehölzsortiment aus, das wir pflanzen können?
Klaus Körber (KK): Es wird ganz klar eine Verschiebung in Richtung Trockenheitsverträglichkeit geben. Das wird sich dann noch mal verstärken, wenn wir nicht mehr mit Trinkwasser im Garten gießen dürfen, was mancherorts schon so ist. Und wir werden in manchen Regionen Bayerns zunehmend Probleme mit einzelnen Gehölzarten bekommen, wie zum Beispiel mit Rhododendren. Die Auswahl wird eher in Richtung silber- und graulaubige Gehölze gehen, die sich mit Behaarung schützen. Auch Immergüne mit harten Blättern, wie Kirschlorbeer, Ölweiden, Mahonien oder auch Cotoneaster haben die Trockenheit bisher gut weggesteckt.

VM: Wie können denn die heimischen Gehölze im Klimawandel bestehen?
KK: Was die heimische Pflanzenwelt in unseren Gärten ausgemacht hat, hat sich ja unter nicht ganz so heißen und nicht ganz so trockenen Bedingungen entwickelt. Wenn wir jetzt in den Wald schauen, sehen wir, dass viele heimische Bäume unter den Bedingungen, die wir haben, nicht mehr funktionieren, siehe Fichte, Birke, Buche oder Esche. Feldahorn, Flatterulme, Elsbeere können vielleicht gehalten werden. Ausschließlich heimische Gehölze zu verwenden, hilft nicht, sie bleiben aber ein wichtiger Bestandteil für die Zukunft. Doch wir dürfen die Nichtheimischen nicht verdammen, nur, weil sie nicht schon seit 1492 hier vorkommen. Meine grünen Inseln der Zukunft haben beides. Da steht zum Beispiel ein Feldahorn neben einer Gleditschie. Mein Ziel ist es, vitale heimische mit vitalen nichtheimischen Pflanzen zu kombinieren. Ich spreche dabei aber ausdrücklich nicht von Naturschutzgebieten und Naturlandschaften, sondern von Siedlungsräumen, den von Menschen beeinflussten Flächen.

VM: Die Kritik ist ja, dass die nichtheimischen Pflanzen weniger wertvoll für die heimische Insektenwelt sind.
KK: Da habe ich ein Beispiel. Die heimische Eiche ist das Biodiversitätsmonster schlechthin. Rund fünfhundert verschiedene Tierarten oder noch mehr leben von und mit ihr. Die nordamerikanische Rot-Eiche nützt vielleicht „nur“ 180 Arten. Aber ein Baum für 180 Arten ist doch besser, als Bäume, die zwar gut sind für fünfhundert Arten, die aber bei Hitze sterben. Übrigens: Die heimische Eibe hat ein Vielfaches weniger an Arten, die von ihr profitieren, als die nordamerikanische Rot-Eiche. An der LWG machen wir Erhebungen, welche Insekten an welchen Gehölzen zu finden sind, sowohl an heimischen als auch an nichtheimischen Pflanzen. Und wir stellen fest, dass Bienen, Wildbienen, Hummeln, Schwebfliegen auf alles Mögliche fliegen, zum Beispiel auch auf Weigelien. Nicht alle, aber sie fliegen hin. Auch Essigbaum, Tetradium – der Bienenbaum – oder Lavendel werden beflogen wie verrückt, und zwar nicht nur von den Honigbienen. Grundsätzlich ist das ja eine Frage der Generalisten und Spezialisten. Natürlich gibt es Insekten, die nur mit speziell einer Pflanze überleben können. Aber ein Drittel der Wildbienen sind Generalisten, die gehen dorthin, wo die Nahrung ist, vor allem, wenn nichts Anderes da ist. Wir als Hobbygärtner können schauen, dass wir möglichst viel Verschiedenes an Blüten, Früchten und Blättern anbieten, in der Hoffnung, dass es möglichst vielen Insekten an Nahrung dient. Von der ersten Weide und Kornelkirsche im Jahr bis möglichst lange in den Winter hinein.

VM: Da sind dann auch nichtheimische Pflanzen dabei?
KK: Da sind viele Pflanzen dabei, die von der letzten Eiszeit verdrängt wurden. Was bei uns vorher alles heimisch war! Gleditschien zum Beispiel. Sie hatten nur das Pech, dass die Eiszeit kam. Bei der Rückbesiedlung haben aber die Pflanzen gewonnen, die schnell blühen und fruchten, die also eine kurze Vegetationsperiode haben. Doch die Alpen waren eine Barriere für viele Pflanzenarten. Deshalb haben wir viele Sommerblüher verloren. In den USA und Asien gab es diese Barriere zwischen Norden und Süden nicht. Also ist die Frage: Wo setzen wir an mit „heimisch?“ Nach einer zeitlichen Einteilung wäre Vieles heute bei uns heimisch. Und es gibt so viele Beispiele, wo sich Gehölze etabliert haben, von denen ein Großteil der Insekten und Vögel profitieren.

VM: Was raten Sie denn bei Neupflanzungen von Gehölzen?
KK: Zuerst etwas, was noch gar nichts mit dem Pflanzen zu tun hat: Wasser sammeln, sammeln, sammeln und nutzen. Am besten eine Zisterne bauen, denn es ist ein Unterschied, ob ich auf einem Grundstück von 500 m2 Wasser in den Kanal leite oder in die Zisterne. Dann die Frage: Liefert die Pflanze Schatten? Ich bin sicher, im Garten der Zukunft wird dieser Aspekt eine große Rolle spielen. Dann die Blütezeit: Die künftigen Gärten werden sich daran orientieren, dass sie ganzjährig etwas bringen. Mit den Gehölzen ist es im Sommer größtenteils mit der Blüte vorbei, aber mit Stauden geht da geht noch mehr. Sie sind eine wichtige Ergänzung, um die Blütezeit möglichst lange hinauszuziehen. Noch ein Punkt: Werden aus den Blüten auch Früchte? Der Feuerdorn zum Beispiel, wenn der blüht, geht die Post ab, und die Früchte sind für die Vögel toll. Wir werden die Biodiversität das ganze Jahr über fördern müssen, von der ersten Weide bis zum letzten Efeu. Die Weidenblättrige Birne, Sanddorn oder Perovskien, der Schnurbaum, überhaupt die Leguminosen machen da einen sehr guten Job. Ach ja, auch die Rosen nicht vergessen.

VM: Welche Rosen empfehlen Sie denn?
KK: Es gibt ja gerade ein Rosen-Bashing. Empfohlen wird, nur einfache Wildrosen zu pflanzen. Stimmt. Aber die blühen am alten Holz im Mai. Moderne Rosen blühen zwei Wochen später und sogar noch ein zweites Mal im September. Dann bilden sie auch noch Hagebutten und sind damit in einem Zeitfenster, das für Insekten interessant ist. Die Aussage, dass moderne Rosen nichts für die Insektenwelt bringen, stimmt also nicht. Sie sind zwar nicht gerade ein voller Kühlschrank, aber sie haben Pollen und Früchte. Auch können Rosen Hitze und Trockenheit vergleichsweise gut überstehen, wenn sie ordentlich angewachsen sind. Wenn ich dann noch blühende Stauden dazu pflanze, kann ich auch mit Rosen Flächen schaffen, die mit Trockenheit klarkommen und wertvoll für die Biodiversität sind.

VM: Gelten im öffentlichen Bereich andere Regeln?
KK: Noch viel mehr! Die Stadt ist ein Hitzespot. Für den Baum ist es dann schon ein Unterschied, ob er am Stamm 40°C hat oder 45°C. Dazu kommt das Streusalz, das ist ein Wahnsinn für Pflanzen. Man hat nachgewiesen, dass der für Bäume tolerierbare Wert an Natriumchlorid bei manchen Straßenbäumen um das Zehnfache überschritten wird. In trockenen Sommern, wie 2018, hat der Baum nur das Wasser zur Verfügung, was er von unten hochziehen kann. Und da kommen dann eben auch die Salzfrachten mit hoch. All das wird uns zwingen, auf salzverträglichere Bäume wie Ölweiden oder Schnurbaum auszuweichen. Die haben zwar nicht so viel grüne Blattmasse wie ein Spitzahorn, aber was nützt die große grüne Blattmasse, wenn sie nicht funktioniert? Wir müssen Kompromisse eingehen, und dann steht halt ein Schnurbaum neben einem Spitzahorn. Vielfalt statt Einheit eben.

VM: Von welchen Gehölzen werden wir uns denn verabschieden müssen?
KK: Da gibt es regionale Unterschiede. In Franken und in der Oberpfalz ist es etwas Anderes als in Ober- und Niederbayern, wo das Problem der Trockenheit nicht ganz so groß ist. Die Donau ist die große Grenze. Aber wir werden uns komplett von der Fichte, in schwachen Regionen auch von der Waldkiefer und der Birke verabschieden müssen. Der Bergahorn hat die Rußrindenkrankheit, das ist ganz klar eine Reaktion auf Trockenstress. Die Eschen leiden am Eschentriebsterben, auch die Vogelbeere wird zu den Verlierern gehören, an Extremstandorten auch die Mehlbeere. Linden haben es schwer in den Städten, wir suchen dort Alternativen, zum Beispiel mit der Silberlinde. Für Hainbuchen wird es eng in der Stadt, in den Gärten geht es noch. Wir werden auch immer mehr von Komplexkrankheiten reden, das heißt: erst kommt die Hitze und die Trockenheit, und dann kommt ein Schädling.

VM: Werden wir uns auch auf andere Pflegebedingungen einstellen müssen?
KK: Wir müssen davon ausgehen, dass es immer wärmer und immer trockener wird. Alles geht nur über eine gute Versorgung der Pflanze. Denn das Gehölz, das komplett ohne Wasser auskommt, gibt es nicht. Wir müssen in Zukunft viel mehr an die organische Düngung denken, an Biokohlen als Zuschlagsstoffe, wie z.B. Terra Preta, an Mulchschichten, die die Verdunstung verringern, an Mykorrhiza, an Bodenaktivatoren und überhaupt daran, Leben, Wasser und Nährstoffe im Boden zu halten. Das kann jeder im Garten mit wenig Aufwand beeinflussen. Das geht schon bei der Pflanzung los. Wir müssen viel mehr Sorgfalt auf die Vorbereitung des Pflanzlochs legen. Das Pflanzloch noch breiter und noch tiefer machen und gute Pflanzerde nehmen. Denn der Baum selbst kommt bestens versorgt aus der Baumschule. Dann gibt es zwei Möglichkeiten, entweder es gefällt ihm, oder es gefällt ihm nicht. Ob es ihm gefällt, liegt an Dir. Auch wenn er früher von alleine gewachsen ist, müssen wir uns heute klarmachen, dass wir ihn heute fünf bis sechs Jahre betüddeln müssen. Das heißt: Durchdringend wässern, das kann man gar nicht oft genug sagen. Denn die Wurzel ist in 30 bis 40 cm Tiefe, das heißt, ich muss jedes Mal 30 bis 40 Liter gießen. Da sind Wassersäcke bei Baumpatenschaften übrigens sehr interessant. Wenn man das nicht gewährleisten kann, dann pflanzt man lieber einen Strauch oder ein paar Stauden. Ein Baum ist eine Investition, wenigstens für zwanzig Jahre und ich muss mir bewusst sein, dass ich ihm helfen muss, bis er erwachsen ist.

 

Zur Person:
Klaus Körber ist studierter Gartenbauer an der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) und als Arbeitsbereichsleiter für Technik und Unternehmensentwicklung u.a. verantwortlich für den Versuchsbetrieb „Stutel“. In der Gartenszene ist er durch seine zahlreichen Vorträge und Publikationen zu Clematis, Rosen, Gehölzen und zuletzt den „Klimabäumen“ und zum Thema Biodiversität von Gehölzen weithin als Experte bekannt.

Auf der Website der LWG gibt es zahlreiche Veröffentlichungen und Empfehlungslisten für die Pflanzung von Gehölzen, die sowohl im Stadtklima als auch als „Bienenbäume“ bestehen können.

Link Bienengehölze: http://www.lwg.bayern.de/mam/cms06/gartenbau/dateien/bf_gesamt_bienengehoelze_in.pdf

 

Klaus Körber Foto: Körber
Acer monspessulanum Foto: Klaus Körber
Prunus Accolade früh Foto: Klaus Körber
Gleditsia triacanthos Sunburst Foto:Klaus Körber